Unfall mit Vorschäden: BGH stärkt Geschädigte bei der Schadenregulierung

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BGH-Urteil: Vorschäden nach Unfall und die Darlegungslast

Ein Auffahrunfall, die Schuldfrage ist eindeutig – und trotzdem geht die Diskussion mit dem gegnerischen Versicherer sofort los: „Ihr Fahrzeug hatte doch schon Vorschäden.“

Oft bleibt es bei dieser unsubstantierten Einwendung, ohne dass konkret benannt wird, was angeblich vorgeschädigt sein soll. Nicht selten folgt die Forderung nach einer Nachbesichtigung. Erst auf Nachfrage – häufig erst nach Intervention der Anwältin oder des Anwalts – stellt sich heraus, dass es lediglich um oberflächliche Kratzer an der Stoßfängerabdeckung geht, um kleine Schrammen vom Beladen oder Spuren aus dem dichten Stadtverkehr.

Der Bundesgerichtshof (VI ZR 122/23 vom 30.07.2024) musste sich genau damit befassen. Die Vorinstanzen hatten die Klage einer geschädigten Person komplett abgewiesen. Begründung: Es sei nicht ausreichend dargelegt worden, welche Schäden zweifelsfrei unfallbedingt seien.

Der BGH stellte klar: Diese Sichtweise überspannt die Anforderungen. Geschädigte müssen nicht jedes Detail lückenlos aufarbeiten. Entscheidend ist, dass nachvollziehbar dargelegt wird, dass zumindest ein Teil der Schäden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist.

Damit macht der BGH deutlich: Versicherer können sich nicht einfach mit unsubstantierten Einwendungen herausreden. Gleichzeitig bleibt klar: Über die Höhe des Schadens entscheidet am Ende die gerichtliche Überzeugung – Automatismen gibt es nicht.

Gebrauchsspuren sind keine Vorschäden

Versicherer führen gerne jede Schramme als Vorwand an. Die Rechtsprechung zieht hier jedoch eine klare Grenze:

  • OLG Hamm (28.06.2022, I-7 U 45/21): Bloße optische Gebrauchsspuren ohne funktionale Auswirkung sind kein Vorschaden.
  • LG Berlin II (03.12.2024, 45 O 155/22): Kratzspuren vom Entladen sind typische Nutzungsspuren, nicht Vorschäden.
  • Brandenburgisches OLG (23.08.2024, 11 U 222/23): Bei älteren Transportfahrzeugen gehören Kratzer zum Alltagsbild, ohne relevanten Einfluss auf den Wert.
  • OLG Schleswig (06.02.2024, 7 U 94/23): Zerkratzte Felgen oder kleine Lackschäden stellen keinen Vorschaden dar.

Erläuterung:
Ein Fahrzeug im Alltag bleibt nicht makellos. Einkaufswagenkratzer, kleine Parkrempler oder Spuren vom Beladen gehören zur normalen Nutzung. Solche Gebrauchsspuren am Auto sind nicht als Vorschaden einzustufen – und vor allem: sie mindern den Wert Ihres Fahrzeugs nicht wesentlich.

Theorie und Praxis:
Zwar ist die Rechtslage eindeutig – Versicherer dürfen derartige Nutzungsspuren nicht gegen die Regulierung anführen. In der Praxis sieht es jedoch anders aus: Viele Versicherer setzen genau hier an, stellen unsubstantierte Behauptungen auf oder blockieren die Regulierung mit dem Ziel, Zeit zu schinden oder Ansprüche zu kürzen. Und sie treiben es oft so weit, dass sie sich sogar verklagen lassen.

Für Geschädigte entsteht dadurch ein enormes Problem: Um überhaupt Klage erheben zu können, braucht es die Bereitschaft, ein Kostenrisiko zu tragen. An dieser Stelle wird die Verkehrsrechtsschutzversicherung entscheidend. Sie nimmt Ihnen das finanzielle Risiko ab, das Versicherer bewusst einkalkulieren, wenn sie sich auf Auseinandersetzungen einlassen.

Vorschäden richtig einordnen: repariert oder unrepariert

Neben diesen normalen Abnutzungen gibt es echte Vorschäden. Hier kommt es entscheidend auf die Art an:

  • Unreparierte Vorschäden
    • Liegen sie außerhalb des aktuellen Schadenbereichs, sind sie in der Regel unproblematisch. Sie wirken sich nur auf den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs aus.
    • Befinden sie sich im selben Bereich, wird es heikel. Ohne klare Abgrenzung durch einen Kfz-Gutachter nach einem Unfall droht nicht nur eine Kürzung, sondern schlimmstenfalls die vollständige Verweigerung der Schadenregulierung.
  • Reparierte Vorschäden
    • Mit Dokumentation: Reparaturrechnungen oder Fotodokumentationen zeigen detailliert, was, wie und wo repariert wurde. Damit kann der Kfz-Sachverständige exakt beziffern, welche Auswirkungen die Vorreparatur auf den gegenständlichen Schaden und den Wiederbeschaffungswert hat.
    • Ohne Dokumentation: Hier fehlt jede belastbare Grundlage. Niemand weiß dann, wie schwer der Vorschaden war, wie tief die Verformung ging oder welche Bauteile betroffen waren. Ohne diese Informationen ist eine seriöse Bewertung – insbesondere im Totalschadenfall – kaum möglich.

Totalschaden und Wiederbeschaffungs­wert: wann er maßgeblich wird

Was ist ein wirtschaftlicher Totalschaden?

Ein wirtschaftlicher Totalschaden liegt nicht erst dann vor, wenn die Reparaturkosten den Fahrzeugwert übersteigen. Er tritt bereits ein, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigen – also wenn die Reparaturkosten höher sind als die Differenz aus Wiederbeschaffungswert vor dem Unfall und Restwert nach dem Unfall.

Wirtschaftlicher Totalschaden: Beispielrechnung

  • Wiederbeschaffungswert: 10.000 €
  • Restwert: 8.000 €
  • Differenz = 2.000 €
  • Reparaturkosten: 5.000 € → wirtschaftlicher Totalschaden.

Dieses Beispiel zeigt, dass ein wirtschaftlicher Totalschaden sehr früh eintreten kann, auch schon bei vermeintlich kleinen Schäden. Denn in diesem Fall müsste der Versicherer lediglich 2.000 € zahlen – und nicht die Reparaturkosten in Höhe von 5.000 €.

Warum sind frühere Reparaturen so wichtig?

Damit ein Kfz-Sachverständiger den Wiederbeschaffungswert realistisch bestimmen kann, müssen alle wertbeeinflussenden Faktoren berücksichtigt werden. Dazu gehören frühere Unfallschäden und deren Qualität der Instandsetzung.

  • Fachgerecht repariert → Fahrzeugwert bleibt weitgehend erhalten.
  • Nur sachgerecht repariert → Fahrzeugwert ist definitiv gemindert.
  • Notreparatur oder improvisierte Ausbesserung → Fahrzeugwert massiv reduziert.

Konsequenz

Fehlt die Dokumentation früherer Reparaturen, scheitert nicht nur die Bewertung des Wiederbeschaffungswerts. Im schlimmsten Fall bricht die gesamte Schadenregulierung nach einem Unfall zusammen – weil der Wiederbeschaffungswert maßgeblich für die Höhe des Schadenersatzes ist.

Gerichtsgutachten im Kfz-Bereich: warum sie so entscheidend sind

In der gerichtlichen Praxis hängt fast alles am Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen. Gerichte stützen sich in technischen Fragen regelmäßig vollständig darauf.

Doch wie objektiv kann das sein, wenn die Erfahrungen zeigen, dass Gerichtsgutachter zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen? Unterschiede in Methodik, Erfahrung und Sorgfalt führen zu stark abweichenden Bewertungen. Für Betroffene wirkt das oft willkürlich.

Die ZDF-WISO-Dokumentation „Gutachterfalle – Die Macht der Expert*innen“ verdeutlicht dieses Problem: Inkompetenz, Arroganz oder Nachlässigkeit von Gerichtssachverständigen können Verfahren massiv beeinflussen. Gerichte übernehmen Gutachten teilweise unkritisch, obwohl sie fehlerhaft sind. So werden Gerichtsgutachter faktisch zu den heimlichen Entscheidungsträger*innen eines Verfahrens.

Das zeigt: Auch wenn die Rechtslage günstig ist, bleibt das Ergebnis oft eine Frage der Bewertung durch den Gerichtssachverständigen – und damit ein Unsicherheitsfaktor.

Die drei Schlüssel zum Erfolg: Kfz-Sachverständige, Anwält*innen und Rechtsschutzversicherung

Der Kfz-Sachverständige

Ein unabhängiger Kfz-Sachverständiger ist das Fundament jeder Regulierung. Aber entscheidend ist nicht nur die Unabhängigkeit, sondern auch die Gründlichkeit. Gerade bei Vorschäden trennt sich die Spreu vom Weizen: Manche Sachverständige nehmen das Thema kaum ernst, andere – wie wir bei kfz-schaden-gutachter.de – legen größten Wert darauf. Dieses Nachforschen kostet Zeit, doch ohne gründliche Prüfung bleibt die Schadenregulierung unsicher. Schnell erstellte Gutachten mögen bequem wirken, sind aber nicht immer seriös – insbesondere dann, wenn wichtige Details wie frühere Vorschäden unzureichend berücksichtigt werden.

Die Fachanwält*innen für Verkehrsrecht

Juristische Expertise ist unverzichtbar. Fachanwält*innen für Verkehrsrecht nehmen die Einwendungen des Versicherers auseinander, setzen die aktuelle Rechtsprechung zu Ihren Gunsten ein und begleiten Sie durch den gesamten Prozess. Ohne diese Unterstützung haben Sie im Streitfall kaum Chancen.

Die Verkehrsrechtsschutzversicherung

Die Rechtsschutzversicherung ist Ihre Eintrittskarte ins Verfahren. Ohne sie tragen Sie das volle Kostenrisiko. Mit ihr übernimmt der Versicherer die Kosten für Anwält*innen, Gericht und Gutachten. Das Beste: Eine Verkehrsrechtsschutzversicherung gibt es schon für wenige Euro im Monat. Wer sie nicht hat, riskiert, dass selbst berechtigte Ansprüche an der Kostenfrage scheitern.

Fazit: Ohne starke Partner*innen scheitert die Schadenregulierung oft

Die Rechtsprechung stärkt die Position geschädigter Personen: Vorschäden schließen Ansprüche nicht automatisch aus. Aber in der Praxis nutzen Versicherer das Thema, um Zeit zu schinden oder Zahlungen zu kürzen.

Worauf es wirklich ankommt:

  • Vorschäden müssen extrem genau behandelt werden – von Ihnen selbst und noch mehr von Ihrem Kfz-Sachverständigen.
  • Der Erfolg hängt nicht nur vom Gerichtsgutachten ab, sondern auch davon, ob Ihr eigener Gutachter das Thema Vorschäden richtig erkannt und vollständig aufgearbeitet hat.
  • Fehler oder Oberflächlichkeit auf dieser Ebene führen unweigerlich dazu, dass die Schadenregulierung scheitert.

Praxisrealität:
Versicherer wissen genau, was sie dürfen – und was nicht. Trotzdem werden Kürzungen, Verzögerungen oder sogar komplette Ablehnungen regelmäßig versucht. Viele Betroffene schrecken dann vor einer Klage zurück, weil sie das Kostenrisiko scheuen. Und genau damit kalkulieren die Versicherer.

Mein Rat:
Sichern Sie sich ab. Ein unabhängiger Kfz-Sachverständiger (z. B. von kfz-schaden-gutachter.de), erfahrene Fachanwält*innen für Verkehrsrecht und eine Verkehrsrechtsschutzversicherung sind die drei entscheidenden Säulen. Nur mit dieser Kombination haben Sie realistische Chancen, Ihre Ansprüche erfolgreich durchzusetzen. Ohne Rechtsschutzversicherung bleiben selbst klare Rechtspositionen oft Theorie – mit ihr können Sie sich gegen unfaire Praktiken der Versicherer effektiv wehren.

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Bildnachweis

vulcanus/Adobe Stock (Datei-Nr.: 100194668)

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